Autorenleben
»Du bist der erste Mann, dem ich begegne, dem so viele Wörter zur Verfügung stehen.«
Es war Mittwoch, und der Tag sollte zum heißesten des Jahres werden. Es hatte seit Wochen nicht geregnet, der Asphalt auf den Straßen schimmerte im unbarmherzigen Sonnenlicht, und alle, die nicht das Glück hatten in der Nähe eines kühlenden Gewässers zu wohnen, stöhnten und wischten sich im Minutentakt den Schweiß von der Stirn.
Meine Kollegin, eine Frau jenseits ihrer besten Jahre, ließ mich die Stirn runzeln. Anerkennend und vor Erfahrung strotzend lächelte sie. Vermutlich wollte sie mir ein Kompliment machen, aber alles, worüber ich nachdenken konnte, war, welche Sorten Mann in ihrem Leben bisher eine Rolle gespielt haben mochten. Ich stellte mir einen stark behaarten und maskulinen Mann vor, der, auf dem Sofa sitzend, grunzend seine Bedürfnisse kundtat.
An rudimentärem Ausdruck ist nichts Verwerfliches
»Mann essen.«
»Mann. Frau. Jetzt«
»Mann müde.«
An rudimentärem Ausdruck ist nichts Verwerfliches, überlegte ich. Er bringt in kürzester Zeit jegliches Anliegen exakt auf den Punkt. Und doch bietet die Sprache ein klein wenig mehr Spielraum, um im Gespräch dem Gegenüber respektvoll zu begegnen. Zugegeben, einem Menschen, der Sloterdijk spricht, möchte ich auch nicht begegnen. Aber Kommunikation, die über die Verwendung von einfachen Hauptsätzen hinausgeht, darf es schon sein. Ich reduzierte trotz meiner Überlegungen im Verlauf des Gespräches die Anzahl der verwendeten Wörter und verzichtete auf eine verwirrende Syntax, um so das Gespräch in Bahnen zu lenken, die meine Gesprächspartnerin in gewohnten Gewässern paddeln ließen.
Es war auch zu heiß, um ein Gespräch mit einer Frau zu führen, die mich auf der Grundlage ihrer Erfahrungen im Umgang mit dem männlichen Geschlecht zu klassifizieren suchte. Sie reagierte wie ein Haustier, das sich nur auf gewohntem Terrain richtig sicher fühlt.
›Mann schlafen‹, dachte ich. Mein seit Wochen von der Hitze geplagter und träger Geist sehnte sich nach einer kühlenden Dusche. Die Kleidung klebte an meinem Körper, und Schweiß floss unangenehm an den Innenseiten meiner Oberschenkel hinab. Ein kühles Bier. ›Hopp, hopp, rinn in Kopp.‹ Ich lächelte und stellte mir vor, wie die eiskalte Flasche meine Stirn kühlte.
»Was ist los?«, fragte sie mich. »Wie geht es dir?« Sie unterbrach ihre Tätigkeit und sah mich prüfend, einen männlichen Angriff auf ihre weibliche Integrität vermutend und hinter der Frage nach meinem Befinden Schutz suchend, verunsichert an. Ihre Hände zitterten leicht.
Heißer Saharawind
»Danke, alles bestens«, wich ich ihr aus. »Und bei dir?«, erwiderte ich ihre Frage, murmelnd in meine Tätgkeit vertieft, und biss mir sogleich auf die Zunge, das Schlimmste befürchtend. Hatte ich einer Verdurstenden eine Flasche Wasser angeboten? Ja. Sie griff zu, trank mein geheucheltes Interesse, das nur von meiner Bierfantasie ablenken sollte, in großen Zügen und begann, sich wieder sicher fühlend, einen Monolog, dessen Inhalt ich nicht wiederzugeben vermag. Erst als ich mit einem Lappen einen Tisch abwischte, unterbrach sie sich selbst und bemerkte anerkennend und sich bequem in einen Sessel fläzend, dass sie noch nie einem Mann beim Putzen zugesehen habe.
Heißer Saharawind strömte durch das geöffnete Fenster und ließ mich an den Urlaub in Portugal im letzten Jahr denken. Das Salz auf meinen Lippen ähnelte leider nicht dem des Atlantiks.